Seit Beginn der Coronakrise ist viel von den Helden unserer Gesellschaft die Rede. Gemeint sind damit die Pflegerinnen und Pfleger, die die an Corona Erkrankten behandeln. Gemeint sind die Verkäuferinnen und Verkäufer, die die Supermärkte am Laufen halten und sich dabei auch noch mit störrischen Kunden auseinandersetzen müssen, die Wagenladungen voller Klopapier an die Bänder schieben. Gemeint sind die Polizistinnen und Polizisten, die Versammlungen von mehr als zwei Personen auflösen, damit die Eindämmungsmaßnahmen für das Virus Wirkung entfalten. Ich hoffe, dass wir nicht glauben, es sei damit getan, einmalig diese Menschen als Helden zu bezeichnen und dann weiterzumachen wie zu vor. Corona lehrt uns einerseits, was wirklich wichtig ist, um diese Gesellschaft am Laufen zu halten. Andererseits zeigt es aber auch, wo sich die Schwachstellen unseres Sozialstaats befinden.
Wie löchrig unser soziales Netz ist, habe ich seit Beginn der Coronakrise sehr eindrücklich in unserer Stadt erlebt. Eine Freundin hat mich Anfang März gefragt, ob ich spontan helfen könnte, eine Essenslieferung für die Tafel auszufahren. Damit hat das Engagement begonnen.
Die Tafel kümmert sich jede Woche um die Menschen, bei denen es am Grundlegendsten fehlt, nämlich um die, die sich nicht einmal genug gesundes Essen leisten können. Für diejenigen sammelt die Tafel Lebensmittelspenden von Privaten und Supermärkten, um sie gegen den
geringen Betrag von einem Euro den Bedürftigen auszuteilen. Die Tafel Offenbach wurde von Christine Sparr ins Leben gerufen. Anders als bei anderen Tafeln, hat die Offenbacher Tafel keine Angestellten, die gesamte Arbeit wird ehrenamtlich
verrichtet. Viele Ehrenamtliche sind ehemalige Kundinnen und Kunden der Tafel, die die Initiative mit ihrer Arbeitskraft unterstützen und damit wöchentlich hunderten Menschen helfen. Die Tafel lebt von dem unermüdlichen Einsatz ihrer Leiterin, Christine Sparr. Jeden Tag verbringt Sie damit, Supermärkte,
Unternehmen, Spender und Verantwortliche bei der Stadt zu kontaktieren und mit ihrer unglaublichen Energie davon zu überzeugen, dass sie ihrerseits mit Lebensmittel-, Sachspenden oder sonstigen Hilfen die Arbeit der Tafel unterstützen.
Corona hat die Arbeit der Tafel enorm erschwert. Einerseits sind immer mehr auf das Angebot angewiesen, denn Corona hat die finanzielle Situation vieler Menschen und Familien verschlechtert. Andererseits werden die Lebensmittelspenden weniger. Die Nachfrage bei den Supermärkten ist gestiegen, weniger bleibt übrig, das gespendet werden könnte. Manche Leute verschärfen die Situation noch mit Hamsterkäufen. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Helferinnen und Helfer der Tafel Angehörige der Risikogruppe sind. Sie können nicht mehr helfen, das Ansteckungsrisiko für sie wäre zu hoch. Deshalb helfen meine Freunde und ich aus. Vor Corona hätten wir in die Uni gemusst, jetzt gibt es höchstens Onlinekurse, die wir uns flexibel einteilen können. Gemeinsam mit Christine haben wir außerdem einen Lieferservice ins Leben gerufen. Viele Kundinnen und Kunden der Tafel haben Vorerkrankungen, sie sind angehalten, das Haus nicht zu verlassen. Deshalb bringen wir ihnen die gefüllten Einkaufstüten mit Mundschutz ausgerüstet nach Hause. Obwohl es sich dabei coronabedingt nur um die Notversorgung handelt, versorgt die Tafel außerdem immer noch mehr als 150 Menschen, die mit Abstand und telefonischer Voranmeldung ihre Einkaufstüten persönlich abholen dürfen. Zusätzlich werden außerdem Obdachloseninitiativen in Offenbach, das Frauenhaus und weitere private Initiativen gerade ausschließlich mit Nahrungsmitteln der Tafel ausgestattet. Wenn die Gabenzäune leer sind, werden auch diese mit Lebensmitteln der Tafel aufgefüllt. Jede Woche profitieren so bis zu 400 Menschen vom Angebot der Tafel. Die Tendenz ist steigend.
Die Tafel ist mehr als ein Lebensmittelversorger. Viele der Menschen, die von der Tafel beliefert werden, kennt Christine Sparr seit Jahren. Es geht auch darum, ihnen Wertschätzung zu vermitteln. Viele haben ihr Leben lang hart gearbeitet und wenig verdient, persönliche Schicksalsschläge oder Krankheiten haben dazu geführt, dass sie weder einen Verdienst haben, noch ausreichende Rentenansprüche erwerben konnten. Von dem Wenigen, das sie haben, werden häufig noch Kinder oder Enkelkinder unterstützt. Zu Ostern haben wir einige Osternester mit gespendeten Schokohasen und Grüner Soße ausgefahren. Zwei Rentnerinnen haben sich unglaublich gefreut, weil sie damit ein Geschenk für ihre Enkelkinder hatten. Eine der Kundinnen backt aus Dankbarkeit fast jede Woche aus einem Teil der Lebensmittel, die wir ihr vorbeibringen, einen Kuchen für die Helfer. Die Idee der Tafel ist nicht nur, Menschen mit Lebensmitteln zu unterstützen, sondern ihnen Wertschätzung für ihre Lebensleistung zu zeigen, die sie ansonsten von niemandem erfahren. Man sollte die Hilfe nicht romantisieren. Viele Wohnungen und Häuser sind in Zuständen, die man sich kaum vorstellen kann. Häufig ist man froh, dass der Mundschutz nicht nur vor Corona schützt, sondern zusätzlich einige Gerüche von der Nase abhält. Manche Kundinnen und Kunden sind auch unfreundlich. Armut ist weder schön, noch edel. Sie ist vor den meisten in der Gesellschaft verborgen, aber sie prägt die Betroffenen und manche verbittern über sie. Dennoch überwiegen die positiven Erfahrungen und die Gewissheit, dass man Hilfe leistet, die unmittelbar
ankommt.
All das kostet. Die Lebensmittelspenden reichen nicht aus und jede Woche müssen Lebensmittel hinzugekauft werden, die Kühlhäuser müssen unterhalten werden und der Tank für die Fahrzeuge mit denen wir die Lieferungen ausfahren, muss ebenso regelmäßig befüllt werden.
Wenn man jemanden als Heldin bezeichnen will, dann wären das bestimmt Christine Sparr und die vielen Helferinnen und Helfer, die die Tafel seit Jahren unterstützen. Ich weiß aber gar nicht, ob sie sich so darüber freuen würden. Ich denke, es wäre ihnen zu pathetisch. Vom Heldentitel kann man keine Lebensmittel kaufen. Wenn man jeden Tag dafür kämpft, dass bedürftige Menschen Lebensmittel, und vielleicht noch viel wichtiger, Anerkennung erhalten, freut man sich, wenn die Anerkennung, die man dafür erhält, ebenso praktisch ist, wie die Hilfe, die man jeden Tag selber leistet. Die Tafel ist auf Spenden angewiesen. In der Coronazeit noch mehr als davor. Es ist aufreibend, sich neben der ganzen Organisation auch noch um die Spendenakquise kümmern zu müssen. Einige Menschen merken die Coronakrise sehr direkt im Geldbeutel. Viele von Euch und Ihnen, die das jetzt lesen, haben aktuell aber auch keine finanziellen Probleme. Vielleicht ist sogar ein Urlaub ausgefallen, für den man sonst viel Geld ausgegeben hätte oder regelmäßige Theater- oder Restaurantbesuche fallen notgedrungen aus. Vielleicht könnt Ihr oder können Sie ja mit einer kleinen oder größeren Spende, die Tafel unterstützen und damit nicht nur anerkennen, was hier für eine wichtige Arbeit geleistet wird, sondern diese Arbeit auch ganz praktisch unterstützen.
Philipp Türmer,
ehrenamtlicher Helfer der Tafel Offenbach
Empfänger: Tafel Offenbach e.V.
IBAN: DE24 5019 0000 0006 4067 42
Verwendungszweck: MaiAktionTafel
Geldinstitut des Empfängers: Frankfurter Volksbank
Diese Spendenaktion wird vom 04.05. Bis 31.05.2020 stattfinden. Die Tafel stellt bei Bedarf Spendenquittungen aus.
Auf unserer Website https://www.offenbachhaeltzusammen.de/ werden Zwischenstände zum bisherigen Spendenaufkommen veröffentlichen.
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Hella-Renata Adelmann (Donnerstag, 07 Mai 2020 08:39)
Das ist der erste Blog, den ich in meinem Leben gelesen habe...bin halt schon alt.
Aber es ist hat sich gelohnt! Wunderbar ge- und beschrieben wie Christine Sparr und ihre Helfer und Helferinnen sich Tag für Tag für die Ärmsten in Offenbach einsetzen. Danke für den Blog Philipp
Philipp Türmer (Freitag, 08 Mai 2020 11:51)
Hallo Hella!
Es freut mich sehr, dass Dir der Artikel so gut gefallen hat! Wenn Du noch Material brauchst, um die Aktion zu unterstützen und in Deinem Bekanntenkreis bekannt zu machen, kannst Du Dich jederzeit bei mir melden:)